Hamlet am Thalia Theater

Eine Rezension von Claudia Frank

Was könnte man wohl an einem Sonntag anderes machen außer chillen oder für eine Deutschklausur pauken? Man könnte sich 3 ½ Stunden geballte Hamlet-Power reinziehen. 

Der Großteil des Theaterkurses 12 ließ sich auf das Experiment „moderne Inszenierung“ ein. Ich wünschte den Schülern also nicht nur Spaß, sondern auch Durchhaltevermögen. Das brauchten wir auch, als die Pause mehr und mehr auf sich warten ließ. Zeit, um unser geplagte Blase endlich entleeren zu können, aber auch um unseren Geist eine Brise Frischluft zuführen zu lassen. Nach der Pause konnten wir mit frischgetankter Energie der letzten Stunde erleichtert und dem fulminanten Ende entgegen sehen. Ein Hamlet in Unterhose, der nicht mit Degen, sondern seiner bloßen Hand fechtet. Einer nach dem anderen stirbt, so plötzlich, wie langgezogen die Hinführung sich darbot. 

Aber der Reihe nach. Das erste Bild wurde als Improvisation live im Foyer gespielt und auf eine Leinwand in den Saal übertragen. Kann man, muss man aber nicht. Ein düsteres Hamlet-Erscheinungbild mit Astronautenhelm und verzerrter Stimme versetzte das Publikum in ein erstes, zartes Raunen. Klar wurde der Zusammenhang erst beim dritten und überraschend schön-schaurigem Bühnenbild: Eine riesige, schwarze Kugel ergoss sich von oben herab und versuchte Hamlet schier zu erdrücken. Ab da hatten sie mich! Jette Steckel, die Regisseurin, ist bekannt für übermässiges Einsetzen jeglicher theaterästhetischen Mittel, das wusste man vorher.

Also bewegte sich die Handlung wirr durch Stroboskoplicht und „Spiel im Spiel im Spiel“, Durchbrechen der dritten Wand und gar Einbeziehung eines unschuldigen Zuschauers der 1.Reihe. Licht und Musik, Gesang und schrille Kostüme wechselten sich ab mit sprunghaften Handlungsszenerien, die Reihenfolge erschien fast willkürlich. Wer sich des Hamlets vorher nicht literarisch bediente, hatte es schwer dem Geschehen zu folgen. Ja, fast unmöglich, so verdreht die Sprache wie die Darstellung. Zwischendurch etwas langatmig schaffte es das hervorragend ambitionierte Ensemble, allem voran „Hamlet“, uns in den Sitzen zu halten. 

Lacher bei Hamlet? Ja, gar nicht wenige. Meist sprachlich gewitzt im Spiel im Spiel gekonnt vollzogen.

Empfehlen würde ich diesen Hamlet, er gefiel mir besser als der „Woyzeck“ im Schauspielhaus. Wer mit mir dabei war, weiß wovon ich rede … Darsteller in hautengen Latexkostümen in Stöckelschuhen und endlos wiederholender Dauerschleife einiger Szenen. Man fragt sich: Muss Theater heute so sein? Es scheint fast so. Jeder will jeden übertreffen. Das endet auch nicht, oder besonders nicht, bei Regisseuren großer Häuser. Dennoch gibt es nicht nur schwere Kost an Theatern. Es ist wie im Kino, es ist immer was für den eigenen Geschmack dabei.

Die Reaktionen der Schüler*innen waren unterschiedlich. Von erbosten Aussagen wie „Was hat das denn mit Hamlet zu tun?“, bis „Frau Frank, diese Idee und Szene müssen wir unbedingt mit einbauen“. Ja, Aurelia, die „Reise nach Jerusalem“ bauen wir ein, aber ganz anders, ich hab‘ schon eine Idee! Ein Künstler, gleich welcher, erklärt sich nicht, er lässt deuten. Das ist es was die Schüler*innen hier lernen. Neues annehmen, eine Verbindung schaffen, seine eigene Interpretation erkennen und annehmen, zu deuten. Nun klar, so liegt es an mir, diese Inszenierung zu zerpflücken in den nächsten Unterrichtsstunden.

Eines ist aber klar, liebe Schüler*innen  des Theaterkurses 12, ich bin stolz auf euch, auf euren Mut und eure Geduld! (Und ja, sie konnten 3 ½ Stunden leise sein!)

Claudia Frank